News 17 September 2021Exklusiv-Interview mit Prof. Dr. Henning Werner im Vorfeld der 11. Sanierungskonferenz am 23./24. Sep.
Prof. Dr. Henning Werner antwortet im Interview auf aktuellste Fragen, die sich Unternehmer und Geschäftsführer von krisengeschüttelten Unternehmen stellen.
Der Experte im Bereich Sanierung, Prof. Dr. Henning Werner, Leiter des IfUS Instituts, antwortet im ausführlichen Interview dem IfUS zertifizierten Sanierungsexperten und Partner der F&P AG, Wilhelm Dahm, auf zahlreiche Fragen rund um das Thema Unternehmenssanierung.
Ziel des StaRUG ist es, dem Unternehmer ein Werkzeug in die Hand zu geben, sich weit vor Eintritt der Insolvenztatbestandes und außerhalb der Insolvenzordnung mit gerichtlicher Unterstützung zu sanieren. Hierzu muss er eine Liquiditätsberechnung über 24 Monate erstellen, um die drohende Zahlungsunfähigkeit frühzeitig zu erkennen. In der Praxis ist eine 24-monatige Liquiditätsplanung zuverlässig kaum möglich.
Herr Prof. Dr. Werner, welche Maßnahmen müsste aus Ihrer Sicht der Geschäftsführer ergreifen, um einer möglichen Haftung vorzubeugen?
Prof. Dr. H. Werner
Mit dem am 01. Januar 2021 in Kraft getretenen Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) wurde ein gänzlich neues Sanierungsinstrument geschaffen. Kurz gesagt kann das StaRUG immer dann zum Einsatz kommen, wenn 75 % einer betroffenen Gläubigergruppe einem Vergleich zustimmen, aber einzelne Minderheitsgläubiger diesen Vergleich blockieren. In solchen Fällen können Minderheitsgläubiger auch gegen ihren Willen in den Vergleich einbezogen werden. Damit kann das StaRUG eine Sanierung ermöglichen, die außergerichtlich konsensual nicht möglich war.
Weitere Vorteile des Verfahrens sind, dass die Entscheidungskompetenzen bei der Geschäftsführung verbleiben und das Verfahren im Stillen durchgeführt werden kann, also keine Publizitätspflicht besteht.
Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen kann nur in der Phase genutzt werden, in der eine drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) besteht, aber noch keine eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO).
Um zu prüfen, ob eine drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt, ist eine Liquiditätsplanung für die nächsten 24 Monaten aufzustellen. Dies ist gesetzlich so vorgesehen. Insofern gibt es keine Alternative zur Implementierung einer Planung für 24 Monate, insbesondere wenn die wirtschaftliche Lage angespannt ist. Im Übrigen sind Geschäftsführer und Vorstände gesetzlich verpflichtet, geeignete Systeme zur Krisenfrüherkennung und Krisenabwehr zu implementieren (§ 1 StaRUG).
Neben der Frage der Zuverlässigkeit einer solchen Planung stellt sich auch hier die Frage, wie der Geschäftsführer bei einem solchen langen Planungszeitraum das Einleiten einer Sanierungsmaßnahme über den StaRUG gegenüber den Gesellschaftern rechtfertigen kann, um nicht als “Schwarzmaler” gebrandmarkt zu werden oder ihm gar geschäftsschädigendes Verhalten vorgeworfen wird?
Wenn ein Geschäftsführer seinem Gesellschafter auf Basis einer nachvollziehbaren Planung darlegen kann, dass die Einleitung von Sanierungsmaßnahmen notwendig ist, sollte dieser eher dankbar sein, statt seinen Geschäftsführer als „Schwarzmaler“ abzutun. Ich denke in einer solchen Situation stimmt die Vertrauens- und Kommunikationsebene nicht. Dies ist übrigens ein typisches Merkmal einer Stakeholder Krise. Aus meiner Sicht ist es wichtig, auf Basis einer validen Planung klar zu kommunizieren, die Probleme sowie entsprechende Lösungsvorschläge aufzuzeigen und dies zu dokumentieren. Dazu gibt es keine Alternativen.
Wie ist Ihr Eindruck bzgl. des Volumens der “stillen Insolvenzen”, also der Teil abseits der Kapitalgesellschaften?
Wenn Sie mit dem Begriff der „stillen Insolvenzen“ die Privat- bzw. Verbraucherinsolvenzverfahren meinen so ist die Entwicklung in diesem Bereich seit dem Jahr 2010 mit über 100.000 Privatinsolvenzen bis zum Jahr 2020 mit ca. 45.000 Privatinsolvenzen kontinuierlich rückläufig. Im ersten Halbjahr 2021 ist die Anzahl der Privatinsolvenzen gegenüber dem Vorjahreszeitraum allerdings deutlich angestiegen. Dies ist sicher zum Teil auch auf die Corona-Krise zurückzuführen, da viele Arbeitnehmer in Kurzarbeit weniger Geld erhalten haben und so nicht mehr in der Lage waren, Ihren Kreditverpflichtungen nachzukommen.
Die Gerichte haben mittlerweile die Insolvenzverwalter auch als Restrukturierungbeauftragten benannt. Dies war zu erwarten. Es gibt allerdings Stimmen, auch die von etablierten Insolvenzverwaltern, die dies kritisch sehen, wenn gar zum großen Teil kontraproduktiv. Im Gegensatz zu den Insolvenzverwaltern müssen sich Sanierungsmanager qualifizieren, um bei den Gerichten als Restrukturierungsbeauftragten akzeptiert zu werden.
Was sind Ihre Empfehlungen bezüglich des Erfahrungshintergrunds und der Qualifizierung, die ein Manager haben sollte, um in diesen Kreis aufgenommen zu werden?
Der Restrukturierungsbeauftragte muss das Vertrauen der Gläubiger sowie des Schuldners gewinnen. Dazu muss er über eine hohe Fachkompetenz und hervorragende Kommunikationsfähigkeit verfügen und natürlich unabhängig sein. Diese Fähigkeiten sind eher personen- als berufsgruppenspezifisch. Nach meiner Überzeugung gibt es Restrukturierungsberater und auch Insolvenzverwalter, die die Kriterien in hervorragender Weise erfüllen. Erfahrene Restrukturierungsberater und krisenerfahre Interim Manager, die über die entsprechende Fachkompetenz verfügen, sollten also auch als Restrukturierungsbeauftragte bestellt werden. Ein Restrukturierungsbeauftragter muss in jedem Fall über Kenntnisse und Erfahrungen in folgenden Bereichen verfügen: Rechtliche Rahmenbedingungen (StaRUG, Insolvenzrecht), Stakeholdermanagement / Verhandlungen mit Gläubigern, Sanierungskonzepte, finanzwirtschaftliche Restrukturierung, integrierte Planung, straf- und haftungsrechtliche Aspekte in der Krise, etc. Im Rahmen unserer Ausbildungslehrgänge am IfUS-Institut an der SRH Hochschule Heidelberg vermitteln wir diese Inhalte.
Die Insolvenzverfahren sind mit hohen Kosten verbunden, die aus der Insolvenzmasse beglichen werden müssen. Oftmals scheitert es an der verbleibenden Masse, so dass gerade kleinere Unternehmen an dieser Hürde scheitern.
Sehen Sie andere Möglichkeiten solche Unternehmen auch außerhalb der gesetzlichen Verfahren zu helfen und was wären hier die Voraussetzungen?
Die Sanierung ist eine komplexe Aufgabe, die i.d.R. nur erfolgreich bewältigt werden kann, wenn externe Spezialisten hinzugezogen werden, egal ob wir über eine außergerichtliche Sanierung, die Sanierung im Rahmen des StaRUGs oder eine Sanierung durch ein Insolvenzverfahren sprechen. Alle diese Sanierungsoptionen erfordern Spezialwissen, welches i.d.R. bei der Geschäftsführung nicht vorhanden ist und diese Spezialisten kosten natürlich Geld. Dabei ist nicht zu vergessen, dass ein nicht unerheblicher Aufwand dafür anfällt, erst einmal Transparenz über die Zahlen im Unternehmen zu schaffen, was eigentlich eine originäre Aufgabe der Geschäftsführung ist.
Gelingt die Sanierung, führt dies in der Regel dazu, dass die Anteile der Gesellschafter nach der krisenbedingten Wertminderung wieder einen Wertzuwachs erfahren (Sanierungsmehrwert). Sofern der Sanierungsmehrwert die Kosten der Sanierung übersteigt, lohnt sich der Aufwand.
Wir haben nun über die technischen Einzelheiten der Restrukturierungsgesetze gesprochen. Vielen Dank für Ihre Erläuterungen. Sie sind aufschlussreich und sicherlich auch interessant für die Leser dieses Interviews. Nun interessiert uns noch der Blick in die Zukunft.
Wie sehen Sie die Marktentwicklung im Sanierungsumfeld in den Jahren 2021/22 und wie sehen die Konsequenzen dieser Entwicklung für die Sanierungsberatung aus?
Der erwartete Anstieg der Restrukturierungsfälle durch die Corona-Krise ist bislang ausgeblieben. Dies ist zurückzuführen auf die umfangreichen staatlichen Stützungsmaßnahmen (Liquiditätshilfen, KfW-Kredite, Kurzarbeit, etc.) sowie die temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflichten.
Nun steht die Bundestagswahl vor der Tür und danach muss sich die neue Regierung erst einmal sortieren. Ich gehe davon aus, dass wir in 2022 einen Anstieg der Restrukturierungsfälle erleben werden. Viele Unternehmen werden durch Auslauf der Tilgungsfreiräume in Schwierigkeiten geraten und Ihren Zahlungsverpflichtungen ggfs. nicht mehr nachkommen können. Daher erwarte ich in den nächsten Jahren einen Anstieg der Restrukturierungsfälle.
Die F&P Executive Solutions AG hat bereits im April 2020 mit dem IFUS Institut einen Kooperationsvertrag geschlossen, da sich beide Seiten hiervon einen Mehrwert versprechen.
Stellen Sie bitte kurz heraus, was Sie bewogen hat, mit einer der bekanntesten Interim Management Sozietäten in Deutschland diese Kooperation zu schließen?
F&P verfügt über ein Netzwerk erfahrener Interim-Manager, die Unternehmen u.a. auch in Restrukturierungs- und Sanierungssituationen unterstützen. Am IfUS-Institut für Unternehmenssanierung an der SRH Hochschule Heidelberg bieten wir Fortbildungsangebote im Bereich Restrukturierung und Sanierung für Interim Manager, Sanierungsberater und Finanzierer an. Diese Angebote werden von F&P genutzt, um immer auf dem aktuellen Stand zu sein. Darüber hinaus schätzen wir am IfUS-Institut den regelmäßigen fachlichen Austausch mit unseren Kooperationspartnern zu aktuellen Fragen aus der Praxis.
Der anstehende 11. Sanierungskongress ist das absolute Highlight, nicht nur weil sich endlich wieder 250 Marktakteure live vor Ort im schönen Heidelberg an der SRH treffen können, sondern die Veranstaltung auch virtuell und damit hybrid stattfindet. Die Community auf LinkedIn hat dem von Ihnen bei LinkedIn angekündigten Fachbeitrag der F&P AG, „Die Rolle des Interim CRO im Restrukturierungsprozess“, große Beachtung geschenkt.
Worin sehen Sie konkret den Vorteil des Einsatzes von neutralen und spezialisierten Interim Managern zur Vermeidung von Insolvenzen und im Worst case als wichtiger Player im Spannungsfeld von zahlreichen Stakeholdern im Sanierungsprozess bei drohenden oder erfolgten Insolvenzen?
Im Verlauf der Krise hat häufig das Vertrauen zwischen den Stakeholdern und der Geschäftsführung gelitten. In solchen Situationen kann der Einsatz eines krisenerfahrenen Interim Managers eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme darstellen. Darüber hinaus verfügt die Geschäftsführung in der Regel nicht über die spezifischen Fachkenntnisse, die zur Bewältigung einer Krisensituation notwendig sind. Und schlussendlich kann der Einsatz eines krisenerfahrenen Interim Managers die Geschäftsführung davor bewahren, in die persönliche Haftung zu geraten, indem auf entsprechende Gefahren frühzeitig hingewiesen wird.
Herr Prof. Dr. Werner, wir bedanken uns ganz herzlich für das Interview und freuen uns auf das anstehende Jahresevent.